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Fleisch Darfs ein bisschen weniger sein?

Der Fleischkonsum in der Schweiz hat sich in den letzten 60 Jahren verdoppelt. Darunter leiden Gesundheit und Umwelt. Wie viel Fleisch können wir uns in Zukunft noch leisten?
 
Fleisch ist begehrt, auch wenn regelmässig eine neue vegetarische Revolution ausgerufen wird. Gut 97 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer essen Fleisch. Nur 2,7 Prozent sind gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2007 Vegetarier. (…)
 
Allerdings steigt die Zahl der Menschen, die weniger Fleisch essen: …die «Flexitarier». Sie verzichten durchschnittlich bei jeder dritten Mahlzeit auf Fleisch.
 
(…). Nicht eingerechnet ist allerdings das im grenznahen Ausland günstig eingekaufte Fleisch. Und seit sechs Jahren nimmt der Fleischverzehr allen Trendforschern zum Trotz wieder zu.
Die Schweiz liegt deutlich über dem globalen Durchschnitt. Die Welternährungsorganisation FAO weist für die Schweiz einen Pro-Kopf-Konsum von 72 Kilo pro Jahr aus, wobei hier das Schlachtgewicht mit Knochen gemeint ist. Der Durchschnitt liegt bei 41 Kilo.
Woher stammt unsere grosse Vorliebe für totes Tier? Und wie ökologisch ist unsere Fleischeslust? (…)
 
Der Homo sapiens ist vom Körperbau her ein Omnivore, also ein Allesfresser wie der Bär oder der Dachs. (…). Als Eiweissquellen dienten Insekten und andere Kleintiere, später nahm Aas an Bedeutung zu.
Der Fleischkonsum spielte bei der Evolution des Menschen eine entscheidende Rolle (…).
 
Auch beim Fleisch gilt: Die Menge macht das Gift
Als der Homo sapiens vor rund 13’000 Jahren sesshaft wurde und den Getreideanbau erlernte, begann er gleichzeitig auch Viehzucht zu betreiben. So erschloss er sich Getreide und Milch als Eiweissquellen. Trotzdem blieb Fleisch ein wichtiger Bestandteil der Ernährung, insbesondere in schlechten Zeiten, wenn die Getreidespeicher leer waren.
Heute bräuchten wir kein Fleisch mehr, um zu überleben. Käse, Fisch, Quorn und Hülsenfrüchte täten es auch. Trotzdem flüstern uns Instinkte aus vielen Millionen Jahren Menschwerdung ein, Fleisch bedeute Kraft, Schnelligkeit, Überlegenheit. Was sich seit der Steinzeit jedoch geändert hat, ist die Verfügbarkeit von Fleisch: War es früher sinnvoll, sich sofort auf jedes erreichbare Stück Protein zu stürzen – schliesslich wusste man nie, wann es das nächste gab –, können wir unseren Fleischhunger heute täglich im Laden um die Ecke stillen. Die Folge: Wir essen viel mehr Tierisches, als nötig und ­gesund wäre.
 
Aber wer sagt denn, Fleisch sei ungesund? «Fleisch liefert hochwertiges Eiweiss und ist eine ausgezeichnete Quelle für Eisen, Selen und Vitamin B12», sagt die Ernährungsberaterin Steffi Schlüchter von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). «Bei einem sehr hohen Fleischkonsum wird allerdings eine Verbindung zu rheumatischen Erkrankungen und zu Magen- und Dickdarmkrebs diskutiert.» Eindeutig gesichert sei der Zusammenhang allerdings nicht. (…)
 
Und der World Cancer Research Fund warnt: «Menschen, die regelmässig Fleisch verzehren, sollten nicht mehr als 500 Gramm pro Woche essen. Davon sollte sehr wenig, wenn überhaupt, verarbeitet sein.» Denn verarbeitetes Fleisch wie Schinken, Salami oder Fleischkäse enthält karzinogene Substanzen.
 
Ein Risiko stellt auch eine übermässige Aufnahme von gesättigten Fettsäuren dar, wie sie in Rind- und Lammfleisch enthalten sind: Sie kann zu einem erhöhten Cholesterinspiegel führen, was die Entstehung von Herz- und Kreislaufkrankheiten begünstigt.
 
Vegetarier haben deswegen klare gesundheitliche Vorteile: Sie sterben weniger häufig an Kreislauf- und Krebserkrankungen und weisen bessere Blutlipidwerte auf. (…)
Das vermutet jedenfalls Renato Pichler, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus (SVV).
In seinem Büro ist alles vegan, nichts ist aus Leder, ­weder das Sofa noch die Stühle. Er sagt: «Tiere sind Mitgeschöpfe und keine Nahrungsmittel.» (…)
 
Soja steckt in beinahe jedem Fleischprodukt: (…)
Gut schneidet einheimisches Biorindfleisch ab, weil bei dessen Produktion neben Heu und Gras nur maximal zehn Prozent Kraftfutter erlaubt sind. In einem Kilogramm Biorindfleisch steckt also maximal ein halbes Kilogramm Kraftfutter inklusive 160 Gramm Soja. (…)
Schweizer Fleisch hat gegenüber Produkten aus dem Ausland vor allem den Vorteil des besseren Tierschutzes. Biofleisch schneidet in der Gesamtschau generell etwas schlechter ab. Der Grund: Die Bioproduktion erfordert mehr Landfläche und mehr Futter, weil sich die Tiere mehr bewegen dürfen. Dafür garantiert sie eine tiergerechte Haltung. (…)
 
Welches Fleisch wir essen
Verkaufsgewicht in Tonnen, Schweiz 2011 - www.beobachter.ch

Verkaufsgewicht in Tonnen, Schweiz 2011 – www.beobachter.ch

Fleischverbrauch: Höhepunkt in den Achtzigern
Durchschnittlicher Konsum in der Schweiz in Kilogramm pro Einwohner (…)
 
Quelle: Proviande; Infografik: Beobachter/mt/dr - www.beobachter.ch

Quelle: Proviande; Infografik: Beobachter/mt/dr – www.beobachter.ch

Pro-Kopf-Konsum: 53,6 Kilogramm entspricht.
Anfang der achtziger Jahre hatte der Konsum mit rund 64 Kilogramm den Höhepunkt erreicht (siehe obige Grafik).
Über die ­Gründe für den Rückgang lässt sich nur spekulieren. Die Branchen­organisation Proviande nimmt an, dass die Ende der siebziger Jahre aufkommenden Themen Tierwohl und Umweltschutz einen Einfluss hatten. In den Neunzigern wirkte sich wohl auch die Wirtschaftskrise auf den Fleischkonsum aus.
 
Gesundheit: Auf die Menge kommt es an
Fleisch ist ein guter Energie- und Eiweisslieferant. Aus 100 Gramm unverarbeitetem Fleisch können wir 100 bis 250 Kilokalorien gewinnen. Fleisch enthält zudem viel Eisen und Zink sowie viele Vitamine wie etwa B1, B2 und B12. Und es liefert wertvolle Omega-3-Fettsäuren und andere lebensnotwendige ungesättigte Fettsäuren. (…)
Ernährungsberater empfehlen, pro Woche nicht mehr als 500 Gramm Fleisch zu essen und verarbeitetes Fleisch wie Würste, Schinken oder Salami möglichst zu meiden. Alle lebenswichtigen Inhaltsstoffe von Fleisch können bei ausgewogener Ernährung auch aus Milch­produkten und pflanzlichen Lebensmitteln zugeführt werden.
 
Umwelt: Gravierende Auswirkungen
Jedes Jahr werden für die Fleischproduktion weltweit mehr als 65 Milliarden Nutztiere gemästet und geschlachtet – fast zehnmal mehr, als es Menschen gibt. In der Schweiz sind es über 55 Millionen Tiere. Die Auswirkungen sind gravierend. (…)
 
Quellen:
Text & Foto – www.beobachter.ch